Willy Blum – Ein Sinto-Junge wird Opfer des NS-Regimes

 

 

 

 

 

 

 

1933 lebten über 30 000 Sinti und Roma, noch als „Zigeuner“ bekannt, in Deutschland. Während der NS-Zeit wurden sie als „Artfremde“ und „Asoziale“[1] bezeichnet. Sie wurden in Sammellagern untergebracht, sodass es ihnen verboten, war umherzuziehen.

Auch in Recklinghausen in der Emscher-Straße 9 und 20 wurden solche Sammellager errichtet. Sie lebten meist mit 8 Personen in einem Wohnwagen mit einer Grundfläche von gerade mal 6qm. Die Wohnwagen waren weder wind- noch wetterfest. In diesen Wohnwagen lebten auch um die 50 Kinder. Viele wurden krank und das Leiden war groß. Wilhelm Adam lehnte sich damals gegen die schlimmen Verhältnisse auf, um seine Familie zu schützen, doch sein Antrag wurde abgewiesen[2].

Am 16. Dezember 1942 ordnete Heinrich Himmler im Auschwitz-Erlass an, alle „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen nach bestimmten Richtlinien auszuwählen und in kürzester Zweit in ein Konzentrationslager einzuweisen.”[3] Die Sinti und Roma hatten einen eigenen Bereich im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das sogenannte “Zigeunerlager”. Bis zu 800 Menschen wurden in einer Baracke zusammengepfercht. Von den rund 22.600 Häftlingen, die dort untergebracht waren, starben mehr als 19.000 – vor allem durch Mangelernährung, Krankheiten und Seuchen. Mehr als 5.600 Sinti und Roma wurden in den Gaskammern ermordet. Einige starben aufgrund von Versuchen seitens des berühmt, gefürchteten Lagerarzt Josef Mengele 2. Unter diesen Menschen befanden sich auch 60 Erwachsene und Kinder aus Recklinghausen, wie am 12. Und 13. März 1943 in Ausschwitz verzeichnet wurde. In der Akte des Wohnungsamtes Recklinghausen steht „Neuer Zuzugsort amtlicherseits unbekannt.[4]

Im Mai 1944 beschloss man, das “Zigeunerlager” in Ausschwitz mit etwa 6.000 Menschen zu liquidieren. Man benötigte Platz. Am Abend des 16. Mai wurde eine Blocksperre angeordnet. Die Insassen waren jedoch vorgewarnt und vorbereitet. Viele Häftlinge hatten sich mit Stöcken sowie mit Schaufeln und Messern, die sie aus Blech geschliffen hatten, bewaffnet. Sie schlugen die SS-Männer zunächst in die Flucht. Doch die Freude hielt nicht lange. Man begann die Arbeitsfähigen nach und nach in andere Lager zu schicken. Die in Birkenau verbliebenen Sinti und Roma, zumeist Schwache, Alte, Frauen und Kinder, wurden am 2. August 1944 vergast. Es wurde berichteten, dass die Menschen sich bis zum Schluss verzweifelt wehrten und mit bloßen Händen angriffen. Auch nach dem Krieg erging es den übrig gebliebenen Sinti und Roma nicht besser. Entschädigungsanträge wurden grundsätzlich abgelehnt, da es sich seitens des Gerichtes nicht um eine rassistische Verfolgung, sondern um eine „präventive Verbrechensverfolgung“, gehandelt haben soll.

[1] https://www.zeitklicks.de/nationalsozialismus/zeitklicks/zeit/verfolgung/wer-wurde-verfolgt/sinti-und-roma/ am 26.2.2021

[2] Helmut Geck, Georg Möllers und Jürgen Pohl: Wo du gehst und stehst…Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933 bis 1945. Verlag Rudolf Winkelmann, 2002. S. 145

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitz-Erlass am 26.2.2021

[4] Helmut Geck, Georg Möllers und Jürgen Pohl: Wo du gehst und stehst…Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933 bis 1945. Verlag Rudolf Winkelmann, 2002. S. 145

 

Willy Blum –  ein Mitglied der Kultur der Sinti und Roma

Heutzutage gibt es kaum Informationen über die Sinti und Roma in der NS-Zeit. Dies liegt daran, dass Zigeuner nicht als Teil der Gesellschaft angesehen wurden, sondern als ein Wandervolk. So kam es dazu, dass sie sehr selten Fotos von sich machten. Dennoch möchte ich auch hier eine Person verewigen, die so viel Leid durchleben musste.

Ich möchte euch von Willy Blum erzählen, die Geschichte eines 16- Jährigen der in Ausschwitz-Birkenau ermordet wurde.
Willy Blum wurde 1928 als das siebte Kind von Aloys und Toni Blum in Rübeland im Harz geboren. Er war Teil einer Sinti und Roma- Familie, die mit einer Marionettenbühne durch das Land zog. Sie lebten von 1938 bis 1943 in Hoyerswerda. Da die Sinti und Roma immer mehr unterdrückt wurden, bekam der Vater Aloys Blum 1942 den Wandergewerbeschein aus rassischen Gründen nicht verlängert 1 . Die Familie musste ins Elendsviertel von Hoyerswerda ziehen, Zwangsarbeit leisten und durfte die Stadt nicht verlassen. Weil Aloys Blum trotzdem versuchte in Berlin den Wandergewerbeschein einzufordern, wurde er nach seiner Rückkehr verhaftet und kam als erster ins Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau 2. Von 1943 bis August 1944 waren auch Toni Blum und ihre zehn Kinder in Auschwitz inhaftiert. Mit der Auflösung des Lagers kam die Familie in verschiedene Konzentrationslager. Willy und Rudolf Blum wurden im KZ Buchenwald gequält und sein Bruder wurde im September 1944 für die Rückkehr nach Auschwitz aufgeschrieben. Willy fuhr freiwillig mit ihm in den sicheren Tod. Beide waren die einzigen der Familie Blum, die nicht überlebten. Getippt worden war die Liste mit ihren Namen in der Häftlingsschreibstube des KZ Buchenwald: zwei Seiten mit den Namen von 200 Kindern und Jugendlichen. Der letzte Name, die Nummer 200 „Zweig, Stf.“ ist durchgestrichen. An seine Stelle wurde „Blum, Willy“ hinzugeschrieben. Der dreijährige Stefan Jerzy Zweig überlebte durch diesen Tausch 3.
Es existiert nur ein Foto von Willy Blum (oben): Es zeigt ihn 1930 im Alter von knapp zwei Jahren auf dem Arm seiner Schwester Anna im Kreis seiner Familie. Die Blums und ihre Gehilfen stehen vor einem Wohnwagen des dazugehörigen Marionettentheaters.