Joseph Kohout – Homosexualität in der NS-Zeit

Josef Kohout (25.01.1915 in Wien bis 15.03.1994) war ein österreichischer KZ-Überlebender und Zeitzeuge der Verfolgung Homosexueller während der Zeit des Nationalsozialismus. Kohout war im KZ Sachsenhausen und im KZ Flossenbürg inhaftiert. Im Alter von 24 Jahren wurde Kohout im März 1939 in Wien von der Gestapo verhaftet, da sie eine Weihnachtskarte von Kohout an seinen Freund Fred abgefangen hatte. Dieses homosexuelle Verhältnis war der Grund, Kohout zu einer siebenmonatigen Haftstrafe zu verurteilen. Anschließend wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen und später nach Flossenburg überstellt. Im KZ hatte Kohout erst gute Beziehungen zu den Kapos (Funktionshäftlinge) und wurde dann später selbst zu einem, was seine Chance, die Haft zu überleben steigerte. Am 22. April 1945 gelang ihm nach einem Todesmarsch von Flossenbürg ins KZ Dachau die Flucht aus der Gefangenschaft. Nach dem Krieg arbeitete Kohout in verschiedenen Betrieben. Seine Haftzeit wurde im später auf die Rente angerechnet. Eine finanzielle Entschädigung für die zu Unrecht erlittene Haft erhielt er jedoch nie. Kohouts Geschichte wurde unter dem Pseudonym Heinz Heger von Hans Neumann im Jahr 1972 unter dem Namen “Die Männer mit dem Rosa Winkel” veröffentlicht.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Kohout, https://en.wikipedia.org/wiki/Heinz_Heger)
 

Homosexualität in der NS-Zeit

Vorgeschichte und Ideologie der Nationalsozialisten

Berlin war bis zur Machtübernahme der Nationalsoziallisten eine Stadt mit vielen Kneipen, in denen Homosexuelle verkehrten, Nachtklubs und Cabarets. Durch den Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei (NSDAP) wurde die Homosexuellenbewegung zunehmend verfolgt. Die führenden Partei-Ideologen der NSDAP waren der Ansicht, dass Homosexualität inkompatibel mit dem Nationalsozialismus sei.

Der Stabschef der Sturmabteilung (SA) Ernst Röhm war homosexuell. Es gab Konflikte wegen seiner Homosexualität und dessen Umgang mit Homosexuellen bis zu dessen Ermordung. Bis zum sogenannten „Röhm-Putsche“ am 1. Juli 1934.[1] schützte Adolf Hitler ihn, solange er ihm nützlich war. Als Röhm Reformen forderte, ließ Hitler ihn und viele andere ehemaligen Parteimitglieder in der „Nacht der langen Messer“ vom 30. Juni 1934 zum 1. Juli 1934 ermorden. Die Gründe dafür waren Konflikte um die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik und die Zukunft der Reichswehr, aber auch der Umgang mit dem Thema der Homosexualität. Schutzstaffel- (SS) und Gestapo- Chef Heinrich Himmler sah die Homosexualität als eine Bedrohung des Staates. Er behauptete, dass homosexuelle Männer danach strebten, die staatlichen Strukturen zu unterwandern, was zur Zerstörung des Staates führen würde.

Homosexuellenverfolgung

Nach der Ermordung Röhms war die Bahn frei für die angestrebte Verfolgungspolitik von Himmler. Im geheimen Gebäude der Staatspolizei (Gestapo) in Berlin wurde im Juli 1934 ein Sonderdezernat II 1S errichtet, welches sich mit der Nachbereitung des „Röhm-Putsches“ beschäftigte. Es konzentrierte sich im Anschluss auf die Bekämpfung der Homosexualität.

Im Herbst 1934 in Berlin richtete sich die Verfolgung der Gestapo gegen alle mutmaßlichen homosexuellen Männer, wo bei Ansehen und Titel keine Rolle spielten. Im Dezember desselben Jahres, führte die Gestapo in Berlin Razzien gegen Homosexuelle durch. In den darauffolgenden Monaten wurden Hunderte bis Tausende homosexuelle Männer verhaftet und in die Konzentrationslager (KZ) Columbiahaus und Lichtenburg deportiert.[2]

In den Jahren danach wurde die Homosexuellenverfolgung weiter professionalisiert und institutionalisiert. Im Jahre 1936 erschuf der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung. Es wurden Razzien, Wohnungsdurchsuchungen und verschärfte Vernehmungen bei homosexuellen Männern durchgeführt. Eine besondere Beachtung fanden sogenannte Strichjungen, die einen guten Einblick in die Homosexuellenszene hatten und viele Männer belasten konnten. Die Gestapobeamten nutzten beim Verhören brachiale Methoden wie körperliche Gewalt und Folter. Lokale Polizeibehörden betrieben die Homosexuellenverfolgung nicht immer mit dem Nachdruck, welchen sich die Berliner Gestapo wünschte. Deshalb wurden Sonderkommandos ausgesendet. Hitler stellte die Homosexualität als ein entartetes Verhalten da, sie bedrohe die Leistungsfähigkeit des Staates und den männlichen Charakter des deutschen Volkes.[3] Zudem wurden schwule Männer als Volksfeinde denunziert.[4]

Rechtsgrundlagen

Der §175 des Reichsstrafgesetzbuches (RStGB) wurde am 28. Juni 1935 verschärft und am 1. September umgesetzt. Im RStGB wird zwischen Verführten und Verführern unterschieden. Verführten Männer bekamen eine Strafverfolgung nach §175, damit sie kein homosexuelles Verhalten mehr zeigten. Die Männer, die verführten sollten aus der Volksgemeinschaft ausscheiden. Am 12. Juli 1940 wurde vom Reichssicherheitshauptamt erlassen, dass Homosexuelle, die mehr als einen Partner verführten hatten, nach der Entlassung aus einer Haftstrafe in polizeiliche Vorbeugehaft kamen.

Hitler ordnete am 15. November 1941 die Todesstrafe für homosexuelle Betätigung an. Diese sollte von Mitgliedern der SS und Polizei durchgeführt werden, um die Reinhaltung des Volkes zu erhalten.[5] Am 7. März 1942 befahl Himmler, dass die Angehörigen der SS und der Polizei Vorkämpfer zur Ausrottung der Homosexualität im deutschen Volk sein müssten. [6]

Statistiken

Es ist festzustellen, dass zwischen 1935 (2363) und 1939 (8963) die Zahl der verurteilten homosexuellen Männer stark anstieg. Die meisten Verurteilten gab es von 1936 bis 1937. Laut dem Soziologen Rüdiger Lautmann sind ca. 10.000 homosexuelle Männer in Konzentationslagern inhaftiert worden, von denen etwa 53% starben.[7]

 

Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern mit Winkeln

1936 wurde die Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern eingeführt und diente zur Gruppierung und als Kenntlichmachung der Gefangenen in den Konzentrationslagern. Sie diente außerdem dem Wachpersonal zu Erkennung, der von der SS verwendeten Gruppierung der KZ-Häftlinge nach Ländern, „Rasse“, Vorverurteilungen etc. Die Häftlingsnummer ersetzte den Namen der gefangenen Personen.

Die Inhaftierten wurden mit farbigen Stoff-Dreiecken gekennzeichnet. Die Spitze ist nach unten oder unterlegt nach oben gerichtet. Dieses Abzeichen wird auch „Winkel“ genannt. Sie wurden auf die gestreiften KZ-Häftlingskleidung genäht (Jacke und Hemd), damit die Wächter den Grund für ihre Inhaftierung im KZ erkennen konnten.

Es gab auch weitere Differenzierungen nach Nationalitäten und Aufgaben als Funktionshäftling.

Die Prägungen der Kennzeichnungen wurden entsprechend den üblichen Gefahrenschildern in Deutschland gewählt. Neben der Farbkodierung der Winkel wurden je nach Häftlingsgruppe Buchstaben in das Dreieck eingefügt. Diese zeigten, das Herkunftsland an. Die festgenommenen homosexuellen Männer bekamen den rosa Winkel.[8][9]

Maßnahmen zur Umerziehung von Homosexuellen

Es gab Umerziehungsmaßnahmen, den sexuelle Orientierung von Homosexuellen in eine heterosexuelle zu verändern. Es wurden zwangsweise KZ-Bordelle besucht, in denen die Männer von SS-Offizieren beobachtet wurden. Es wurden auch, angeblich freiwillig beantragte Kastrationen durchgeführt.[10] An den Homosexuellen wurden Menschenversuche durchgeführt, um den Grund der männlichen Homosexualität zu begründen. Man versuchte auch die Homosexualität durch harte Arbeit zu vernichten.[11]

Die Verfolgung homosexueller Geistlicher

1936/1937 wurden Sittlichkeitsprozesse gegen Ordensangehörige Priester geführt, in den es Vorwürfe gegen homosexuelle Handlungen und Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen gab. Die Prozesse waren zum Teil sehr nachlässig vorbereitet worden. Sie endeten meistens mit hohen Gefängnisstrafen.[12]

Der Umgang mit homosexuellen Frauen

Wie homosexuelle Frauen verfolgt wurden ist umstritten. Die Historikerinnen und Historiker vertreten verschiedene Thesen:

  • Der Historiker Alexander Zinn vertritt die These, dass lesbische Frauen verfolgt wurden. [13]
  • Die Historiker Claudia Schoppmann und Jens Dobler meinen, dass Lesben wegen anderer Straftatbestände wie z.B. Unzucht mit Abhängigen, Prostitution, Sexueller Missbrauch, oder Erregung öffentlichen Ärgernisses verfolgt wurden.[14]

Der Umgang mit Homosexuellen in Deutschland nach 1945

In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) hatte bis 1969 die nationalsozialistische Gesetzgebung bezüglich des §175 Bestand. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) kehrte man zur entsprechenden Gesetzgebung vor 1935 zurück.[15]

2002 entschuldigte sich der Deutsche Bundestag bei den homosexuellen Opfern des Nazi-Regimes. Es wurden mit einer Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes alle Urteile nach §175 aus der NS-Zeit aufgehoben.[16]

Gedenken an die Opfer

Ab 1984 wurden Denkmäler errichtet, die an die Verfolgung Homosexueller erinnern. Zunächst wurden sie in den Gedenkstätten auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager errichtet. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wurde Im Mai 2008 eingeweiht. Die israelische Stadt Tel Aviv erhielt ein Mahnmal im Januar 2014 für verfolgte sexuelle Minderheiten. Das Mahnmal hat die Form des rosa Winkels.[17]

Literaturverzeichnis

Bilderverzeichnis

 

[1] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 243–250 (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[2] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 265–279 (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[3] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 289–309 (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[4] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 289–309 (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[5] Erlass des Führers über die Reinhaltung der SS und Polizei (15. November 1941). (PDF; 68 kB) (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[6] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 320–328. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[7] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 309–320. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[8] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 309–320. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[9] rosa-winkel.de (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[10] „Medizin und Verbrechen“ zum Krankenrevier in der Gedenkstätte Sachsenhausen; vgl. zu Details Astrid Ley und Günter Morsch (Hrsg.): Medizin und Verbrechen. Das Krankenrevier des KZ Sachsenhausen 1936–1945. Berlin 2007 sowie Stefan Heinz und Lukas Bergmann: Verfolgung von „Volksfeinden“ als Staatsauftrag. Die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[11] https://lambdanachrichten.at/ln200404/vaernet.html (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[12] Hans Günter Hockerts: Die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Ordensangehörige und Priester 1936/1937. Eine Studie zur nationalsozialistischen Herrschaftstechnik und zum Kirchenkampf. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1971. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[13] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus. Campus, Frankfurt/Main 2018, ISBN 978-3-593-50863-4. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[14] http://www.bpb.de/apuz/275892/queere-geschichte-und-der-holocaust?p=all(zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[15] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 500–510. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[16] Alexander Zinn: “Aus dem Volkskörper entfernt”? S. 500–510. (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)

[17] Mahnmal für homosexuelle NS-Opfer in Tel Aviv eingeweiht (zuletzt besucht: 22.01.2021 23:13)