Eindringliche Szenen erinnern an den Holocaust


Zwei Frauen gehen langsam auf einander zu. Sie berichten vom Leben im KZ Majdanek. Ihre Worte vermischen sich, wechseln sich ab, treten schließlich deutlich hörbar hervor. „Ich war beliebt. Wir haben viel gelacht.“, sagt Hildegard Lächert, die Aufseherin. Kein Wort von der brutalen Folter, von all den Morden, die sie begangen hat. Davon berichtet dagegen die Gefangene: vom Schäferhund, den die blutige Brigida – so wird Lächert von den Häftlingen genannt – auf eine Schwangere gehetzt hat, vom Mord in der Jauchegrube. Die beiden Frauen stehen jetzt direkt voreinander und schauen einander lange ins Gesicht. Stille.
Eine starke Szene, erarbeitet und einstudiert von Schülerinnen des Projektkurses „Wider das Vergessen“ aus der Gesamtschule Recklinghausen Suderwich (Geresu). Die Inszenierung steht am Ende eines einjährigen Projektes, bei dem die jungen Erwachsenen des Jahrgangs 13 ihre Erfahrungen während einer Reise nach Polen „Zum Kern des Holocaust“ verarbeiten. Schwerpunkt der Recherche war der von den Nazis als Aktion Reinhard bezeichnete Massenmord an den Juden und Roma in Polen und der Ukraine zwischen 1942 und 1943. Die Schülerinnen und Schüler besuchten das ehemalige, deutsche KZ Majdanek, forschten im Archiv des Theaters N.N. und sprachen mit verschiedenen Zeitzeugen. Zurück in Recklinghausen verarbeiteten die Kursteilnehmer unter der Leitung der Lehrer Mike Kochstädt und Matthias Ermisch das Material zu einer multimedialen Collage aus Spielszenen, Videos und Interaktionen mit dem Publikum.
Mit viel kreativem Geschick schufen die jungen Akteure so eine beklemmende Atmosphäre, die das Grauen der damaligen Ereignisse ansatzweise spürbar macht. Verbindendes Element der Szenenfolge ist ein überdimensionaler Wecker der alle 15 Minuten neu gestellt wird. So lange dauerte die Tötung der Menschen durch Kohlenmonoxid in einer der Gaskammern. Vier Mitwirkende zogen mit Absperrband ein Rechteck über das Publikum und verdeutlichten so die Dimensionen der Todeskammer. Ein Videofilm aufgenommen aus einem fahrenden Zug zeigt einen Teil der Wegstrecke, auf der die Menschen in Viehwagons zu den Vernichtungslagern gebracht wurden. Zwei Stimmen aus dem Off verlesen die Namen getöteter Juden. Dazu schwenkt die Kamera über endlose Reihen von Aktenordnern. Ohrenbetäubende Schlagermusik platzt plötzlich in den Raum. Vier Akteure schlagen dazu ein Stakkato mit Hämmern auf Kochtöpfe. Ähnlich versuchten die Nazis die Massenerschießungen am Stadtrand von Lublin zu übertönen. Doch beim Wechsel der Schallplatten drang damals das Tackern der Maschinenpistolen bis in die Stadt vor.

Bürgermeisterin Marita Bergmaier zeigte sich beeindruckt nach der Premierenvorführung am 15. März 2018 in der Aula an der Markomannenstraße. Sie lobte das große Engagement der Kursteilnehmer und die Erinnerungsarbeit, die seit Jahren ein wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit an der Gesamtschule Suderwich ist. Als Anerkennung überreichte sie allen Aufführenden zum Abschluss eine weiße Rose. Anwesend bei der Aufführung waren auch der Erste Beigeordnete Georg Möllers sowie Vertreter der Humanistischen Union und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Ebenfalls zu Gast war die Schüler-Delegation des Liceo G. Carducci aus Pisa, die in dieser Woche im Rahmen eines Austauschprogrammes die Geresu besuchte.