“Staatsfeinde” und “Asoziale” – Postkartenaktion erinnert an die Verfolgten der NS-Zeit

Auf den ersten Blick sehen die neuen, kostenlosen Ansichtskarten der Gesamtschule Suderwich ganz harmlos aus: Ein freundlicher, älterer Herr lächelt in die Kamera, eine Gruppe von Männern unternimmt einen Ausflug in die Natur, ein modisch frisierter junger Mann blickt ein wenig verträumt am Betrachter vorbei. Ein roter Balken zerstört den friedlichen Ausdruck: Volksfeind, Kultur- oder Staatszerstörer steht in dicken Lettern unter den Bildern. Andere Bilder zeigen vermeintlich „asoziale“ oder „lebensunwerte“ Menschen. Die Karten erinnern an eine Zeit, in der das menschenverachtende Weltbild des Nationalsozialismus das Leben in Deutschland bestimmte. Politische Gegner, Menschen jüdischen Glaubens, Sinti, Roma, Homosexuelle oder Zwangsarbeiter aus Osteuropa mussten damals täglich um ihr Leben fürchten. Wer die Karte umdreht findet dort ein Emoticon, welches symbolisch für die verfolgte Gruppe steht und einen QR-Code. Wenn man den Code mit dem Handy scannt, wird man auf eine Seite der Homepage der Geresu geleitet, auf der weitere Informationen zu Thema zu finden sind.
Entwickelt wurden die Motive im Projektkurs „Wider das Vergessen“ der Jahrgangsstufe Q2 (13). „In diesem Jahr gingen wir der Frage nach, wie man mit modernen Medien, die Verfolgung und Ermordung aus rassistischen oder politischen Motiven während der NS-Zeit wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zurückbringen kann“, erläutert Mike Kochstädt, der gemeinsam mit den Kollegen Matthias Ermisch, den Kurs betreut hat. Gemeinsam mit den Schülern wurde dabei die Idee einer Postkarten- und Plakataktion entwickelt. Neben der Gestaltung stand vor allem die Recherche nach den Einzelschicksalen im Vordergrund. Fast alle Opfer stammen aus Recklinghausen. Rat und Hilfe gab es von Recklinghäuser Historiker Jürgen Pohl und Gerda Koch von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Das Projekt versteht sich als Teil der Recklinghäuser Gedenkkultur. Sobald nach der Corona-Pandemie das öffentliche Leben wieder hochfährt, werden Postkarten in Geschäften und Gaststätten ausliegen bzw. verteilt. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von der Humanistischen Union in Recklinghausen. Weitere Infos unter www.geresu.de.